Landsgemeinde 2000
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Traktandum 14

Das Wort wird nicht verlangt.

Darum geht es:

Änderung der Strafprozessordnung des Kantons Glarus
(Haftgrund der Wiederholungsgefahr
und Sicherheitshaft)

Die geltende Strafprozessordnung hat seit ihrem Erlass am 2. Mai 1965 zahlreiche Änderungen erfahren. Dennoch drängt sich seit einiger Zeit eine umfassende Revision auf, dies aus organisationsrechtlichen Gründen (z.B. Ausgliederung des Verhöramtes aus der Justiz, Organisation Jugendstrafrecht) und zur notwendigen Anpassung zahlreicher Bestimmungen an die heutigen Gegebenheiten (grenzüberschreitende und organisierte Kriminalität, neue Untersuchungsmethoden, verfassungsrechtliche Garantien betreffend den Strafprozess und die Untersuchungshaft, Opferhilfe usw.). Ursprünglich war vorgesehen, die wichtigsten Revisionspostulate im Zusammenhang mit der Verwaltungsorganisation 2002 und der darin vorgesehenen Schaffung einer Justizdirektion zu erfüllen. Inzwischen wurde beschlossen, die Neuorganisation der Verwaltung der Landsgemeinde über mehrere Jahre gestaffelt zu unterbreiten und von einer Vorlage auf die Landsgemeinde 2001 abzusehen. Massgebend für diesen Entscheid war nebst der kontroversen Vernehmlassung zur ausgearbeiteten Gesamtvorlage auch die Tatsache, dass die geplante Einführung einer eidgenössischen Strafprozessordnung offenbar rasch voranschreitet, weshalb mit grundlegenden Änderungen in diesem Rechtsbereich besser zugewartet wird, bis die Vorgaben des eidgenössischen Rechts bekannt sind. Mit der vorliegenden Änderung soll der dringendste Revisionsbedarf der Strafprozessordnung abgedeckt werden. Es handelt sich dabei um die Einführung des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr sowie der Sicherheitshaft.

Haftgrund der Wiederholungsgefahr: Artikel 48
der Glarner Strafprozessordnung (StPO) nennt die Gründe, welche zur Verhaftung einer Person berechtigen. Mit der vorgeschlagenen Ergänzung in Artikel 48 Ziffer 2 StPO soll eine Lücke geschlossen werden, die bisher einer wirksamen Unterbindung von Straftaten durch bereits straffällig gewordene Gewohnheitsdelinquenten entgegenstand. Sofern eine Person, die die Begehung einer Reihe von Delikten, wie z.B. Einbruchdiebstähle oder Sexualstraftaten, gegenüber Polizei und Verhörrichter vollumfänglich gesteht und keinerlei Anstalten trifft, sich der Strafverfolgung zu entziehen, weiterhin gewohnheitsmässig und mit hoher Wahrscheinlichkeit delinquiert, bietet das geltende Recht keine Handhabe, um weiteren Straftaten durch die Anordnung von Haft zuvorzukommen. Denn es besteht weder Fluchtgefahr noch Vertuschungsgefahr, und der Haftgrund ist als "Haftgrund der kochenden Volksseele" verfassungswidrig. Das damit verbundene Risiko neuer Straftaten erstreckt sich bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Strafurteils, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Hauptverhandlung vor der Strafkammer des Kantonsgerichts wegen der strafprozessualen Vorschriften (Anklagezulassung, Akteneinsicht für Geschädigte und Verteidiger, Vorladungsfristen) frühestens ein bis zwei Monate nach erfolgter Anklageerhebung zur Durchführung gelangen kann. Bis anhin behalf man sich in solchen Fällen mit dem vorzeitigen Strafantritt des Gewohnheitsdelinquenten. Die hierfür gemäss Bundesgerichtspraxis erforderliche Einwilligung des Straftäters wurde auch regelmässig gegeben. In einem kürzlichen Fall wurde diese Einwilligung indessen verweigert, womit der vorzeitige Strafantritt nicht durchgeführt werden konnte. Zu diesem Zweck haben in den vergangenen zehn Jahren die meisten Kantone die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass ein Angeschuldigter mit der Neigung zur Gewohnheitsdelinquenz, bei dem kein anderer Haftgrund vorliegt, in Haft behalten werden kann. Bei der Anordnung von Haft wegen Gefahr der Tatwiederholung durch den Verhörrichter kommen in Bezug auf den Rechtsschutz die Artikel 57 und 86d StPO zur Anwendung. Der Kantonsgerichtspräsident bzw. die Strafkammer des Kantonsgerichts entscheidet als letzte kantonale Instanz (Art. 86d Abs. 5 StPO).

Sicherheitshaft: Mit dem neu vorgeschlagenen Artikel 48 Absatz 2 (der vorstehend zur Aenderung vorgeschlagene bisherige Text des Artikels wird zu Abs. 1) StPO soll eine Rechtsgrundlage dafür geschaffen werden, dass nach Abschluss der Untersuchung bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Strafurteils ebenfalls Haft angeordnet werden kann, wenn hierzu eine Notwendigkeit besteht. Es geht dabei um dieselben Haftgründe wie während der Untersuchung. Zu denken ist etwa an die oben erläuterte Gefahr der Tatwiederholung durch einen Gewohnheits-
Delinquenten, die nach Abschluss der Untersuchung weiter besteht. Ein zusätzliches Beispiel ist das Neueintreten von Fluchtgefahr nach Erlass des, vom Angeklagten angefochtenen, Strafurteils. Da es insbesondere wegen der Dringlichkeit zu Schwierigkeiten führen könnte, wenn Sicherheitshaft vom in der Sache zuständigen Gericht als Kollegialbehörde angeordneten werden müsste, soll dieser Entscheid in die Zuständigkeit des betreffenden Gerichtspräsidenten als praxisgerechte Lösung fallen. In Bezug auf den Rechtsschutz wird gegenüber der Anordnung von Sicherheitshaft ein Spezialrechtsmittel der Beschwerde an das Obergerichtspräsidium vorgesehen (entsprechend der Beschwerde beim Kantonsgerichtspräsidenten gegen die Untersuchungshaft gemäss Art. 57 Abs. 1 StPO), wobei einer solchen Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukommt, ansonsten der Zweck der Sicherheitshaft gefährdet würde (vgl. Art. 57 Abs. 1 Satz 2 StPO). Möglich bleibt die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht.

Antrag: Der Landrat beantragt der Landsgemeinde, der Änderung der Strafprozessordnung zuzustimmen.

Auszug aus Memorial (pdf-Datei 30 KB)

Vollversion Memorial (pdf-Datei 1,8 MB)

leer

Beschluss

Das Traktandum wird gemäss Antrag des Landrates angenommen.

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