Landsgemeinde 2002
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Traktandum 1: Eröffnung der Landsgemeinde

Landammann Rudolf GislerRede Landsgemeinde 2002

Hochgeachteter Herr Landesstatthalter
Hochgeachtete Damen und Herren der administrativen und richterlichen Behörden
Hochvertraute, liebe Mitlandleute

Einmal mehr haben wir uns gemäss jahrhundertealter Tradition im Ring zu Glarus zur Landsgemeinde zusammengefunden. Die Tradition ist uns aber nicht Triebfeder zur Aufrechterhaltung und Ausübung dieser Versammlungsform. Nach wie vor betrachten wir Glarnerinnen und Glarner die Landsgemeinde als die richtige und passende Institution um über Verfassung, Gesetze sowie Sachgeschäfte zu entscheiden und auch Wahlen vorzunehmen. Das direkte Gegenüberstehen von Behörden und Volk, die unmittelbare Auseinandersetzung und die unverzügliche Entscheidung machen das Wesentliche und die Einzigartigkeit der Landsgemeinde aus.

Das Jahr 2002 wird in unserem Kanton ganz besonders geprägt durch die Festlichkeiten zum Jubiläum Glarus 650 Jahre im Bund. Am 4. Juni 1352 besiegelten die Glarner dieses Bündnis. Im Chronicon Helveticum von Aegidius Tschudi lesen wir, weshalb dem Bitten der Glarner zur Aufnahme in einen ewigen Bund stattgegeben wurde: «Also betrachtetend die von Zürich, Uri, Switz und Underwalden die trüwen dienst und hilffliche guottaten und bistand so inen die von Glarus vorziten offt bewisen.....». Die Treue und Hilfe überwand auch die geographischen Bedenken: «Und wiewohl inen das land Glarus übel gelegen ze beschirmen, dann allein summers ziten von Uri und Switz über die hochgebirg zuo inen wandel ist.....». Der Bund von 1352 ist einseitig abgefasst. Die Benachteiligung besteht insbesondere in den einseitigen Hilfsverpflichtungen, in der eingeschränkten Bündnisfreiheit und im Recht der andern Bundesgenossen, welche einzelne Artikel des Briefes mindern oder mehren konnten.

In dieser untergeordneten Stellung – der Vertrag wird ja auch der mindere oder böse Bund genannt – verblieb Glarus bis 1473. Diese Abmachung brachte den Glarnern dann die formelle Gleichberechtigung. Ob die drohende Auseinandersetzung mit Burgund die Unterzeichnung beflügelte oder andere Gründe als die Bitten der Glarner und ihre Beweise der «getrüwen diensten» dies förderten, ist nicht belegt. Alles was einst war, soll uns aber nicht davon abhalten dieses besondere Ereignis zu feiern, denn «getrüwe» Bundesgenossen waren die Glarner immer.

Heute besteht keine Ungleichheit mehr unter den eidgenössischen Ständen. Dennoch ist es für Kantone unserer Grössenordnung nicht immer einfach mithalten zu können und Eigenständigkeit zu bewahren. Die Verpflichtungen aus Forderungen vom Bund her sind unbesehen der Grösse und der verfügbaren Mittel des einzelnen Kantones genau gleich. Trotz Unterstützung bleibt schlussendlich oft doch mehr zum eigenen Tragen. Das was zudem selbst beigesteuert werden muss, lässt sich weniger leicht zusammen bringen als dort, wo einzig ständiges Wachstum Sorge bereitet. Der viel beschworene Service public findet auch nicht für alle dieselbe Anwendung und von Zusammenhalt über die Sprachgrenzen hinaus zu reden ist offensichtlich auch einfacher als das Welsche und Tessiner Fernsehprogramm via Antenne auch abgelegenen Regionen zu übermitteln. Wenn nur noch die Masse und Agglomerationen Ziele sind, dann wird unser Land in seiner Vielgestaltigkeit einbüssen. Es werden Werte verloren gehen, die irreparabel sind.
Es geht nicht um ein Pochen auf unantastbare Eigenständigkeit und Verharren in Unveränderlichbarkeit. Anpassungen an neue Gegebenheiten sind notwendig, die Rechte und Möglichkeiten auch der kleinen Kantone sind jedoch mitzubeachten.

Hochvertraute, liebe Mitlandleute

Der Blick zurück auf die letzten zwölf Monate bleibt hängen bei den Terroranschlägen in New York und Washington, dem schrecklichen Blutbad im Zuger Parlament, dem Inferno im Gotthard-Tunnel, dem Absturz einer Crossair-Maschine bei Zürich, dem Krieg in Afghanistan, den unverständlicher und grausamer gewordenen Auseinandersetzungen im Nahen Osten.

Dass man irgendwelche Menschen wahllos und blindlings tötet; Lebensrechte, Freiheiten und Mobilität aufs Spiel setzt und Grundwerte einer freien und offenen Gesellschaft bedroht, kann nur als schrecklich, unverständlich und grausam bezeichnet werden. Tabus sind durchbrochen und die Grenzen dazu anders gesetzt. Die Fragen: Wird es je wieder sein wie zuvor? gestellt nach dem 11. September 2001 und diejenige nach dem Attentat im Zug: Was ist nur los mit dieser Welt, ist sie aus den Fugen geraten? mussten damals aufgeworfen werden, sind aber heute noch aktuell. Es war ein verrücktes Jahr dieses 2001 und unser Land wurde dabei wie kaum zuvor getroffen. Das Verharren in Trauer und Schrecken kann aber nicht andauern. Auch die Feststellung, dass die Zeiten nicht einfacher geworden sind, dass die Unabwägbarkeiten sich nicht verringert haben und dass die Zukunft sich nach wie vor nur schwer voraussagen lässt, führen nicht unbedingt weiter.
Zu hoffen ist aber, dass die den verschiedenen Katastrophen folgenden Appelle zu mehr Mitmensch, zu mehr Nachbarsein, zu mehr Besinnlichkeit und hohen Werten etwas fruchten.

Doch nicht allein Terror, Krieg und Unglücksfälle boten Anlass zu Negativmeldungen. Die ins Stocken geratene Wirtschaft liess nicht die Euphorie der Vorjahre aufkommen. Die Zahl der Arbeitslosen stieg wieder an. Die Börse reagierte auf schlechte Meldungen. Das Grounding der Swissair bildete in all den wenig erfreulichen Meldungen drin gewissermassen der traurige Höhepunkt. Es sind immer mehrere Faktoren welche zu schlechten Ergebnissen führen. Die Anbindung an die europäischen und weltweiten Märkte und damit die Globalisierung an sich zeigen jedoch mit klarer Deutlichkeit, dass die Wirtschaft unseres Landes kein abgeschottetes Dasein führt. Die Vernetzung erhöht einerseits die Verwundung, andrerseits jedoch trägt sie auch zu einer beschleunigten Gesundung bei.

Auch in unserem eigenen Kanton wurden wir in den letzten zwölf Monaten nicht von unerfreulichen Meldungen verschont. Die Mitteilungen über die Schliessung verschiedener Produktionsstätten schrecken um so mehr auf, weil es trotz verbesserter steuerlicher Rahmenbedingungen, weiterem Entgegenkommen und verstärktem Einsatz der Wirtschaftsförderung sehr schwierig ist neue Arbeitsplätze zu schaffen und neue Betriebe anzusiedeln. Was mit dem grössten Arbeitgeber geschieht und wer dessen Besitzer ist, kann uns deshalb nicht gleichgültig sein. Ebenso wenig dürfen wir uns verschliessen, wenn tatsächlich Neuansiedlungen möglich sind. Das vorhandene Potential, auch im Tourismus, muss vermehrt gefördert werden. Industrie, Gewerbe, Dienstleistung müssen auch bei uns die Stützen sein. Eine fehlende Wirtschaft hat Auswirkungen auf alles andere. «Die Schweiz wächst, nur Glarus nicht» das Fazit der Volkszählung 2000 darf uns nicht unberührt lassen.
Erfreulich darum auch die Feststellung: Dieser Kanton lebt, in diesem Kanton läuft etwas. Schlagzeilen wie: Die KVA Niederurnen die modernste Entsorgungsanlage Europas, neue Schlittelbahn Elm – der Pioniergeist ist zurückgekehrt, neues Glarner Wahrzeichen – das Medienhaus, Gold für Schoch und Kessler-Brett aus Braunwald, zeigen dies beispielhaft. Die Ergänzungen dazu lassen sich leicht finden in den Meldungen zum vielfältigen Vereinsleben. Da heisst es etwa: 175 Jahre Kantonalgesangverein, Glarner Schützen trafen voll ins Schwarze, 100 Jahre Harmoniemusik Schwanden.
All dies und noch viel mehr wird aber nur Bestand haben, wenn die Gemeinschaftspflege ihren Wert behält und immer neue Impulse zum Dabeisein und Weitermachen anspornen. «Es gibt kein Leben ohne Beziehung, ohne Beziehungen», hat Aline Kellenberger in ihrer Bettagspredigt gesagt.

Hochvertraute, liebe Mitlandleute

Die erste Runde des Wahljahres 2002 liegt hinter uns. Das Traktandum 2 der Landsgemeinde bringt uns in die zweite Ausmarchung. Mit den Gemeinde- und Landratswahlen vom 2. Juni findet dann das Wahljahr seinen Abschluss. Auch in den vergangenen vier Jahren haben sich auf allen staatlichen Ebenen Frauen und Männer für das Wohl aller eingesetzt und damit für das Funktionieren unseres Staates wesentliche Leistungen erbracht. Dafür gehört ihnen unser Dank.

Mit der heutigen Landsgemeinde endet das Wirken von Christoph Stüssi im Regierungsrat. Als Gemeindepräsident und Landrat erwarb er sich das Rüstzeug für die Tätigkeit in der obersten Exekutive des Kantons, der er seit 1986 angehörte. Während dieser Amtszeit von 16 Jahren führte er stets die Finanzdirektion. In Erinnerung ist auch noch sein Wirken als Landammann von 1994 – 1998.
Auch für einen Finanzdirektor gibt es unterschiedliche Zeiten. Zeiten in denen der Staatssäckel beinahe überschwillt; Zeiten aber auch, in denen mühsam die Mittel zusammengehalten werden müssen. Etwas ist aber immer die Aufgabe des Finanzdirektors, nämlich Mahner zu sein. Christoph Stüssi ist dies stets gewesen und hat diese Aufgabe mit grossem Engagement, mit Leidenschaft und eindrücklichen Worten erfüllt. Es blieb ihm aber nicht nur die Rolle des Mahners. In seiner Amtszeit galt es auch neue Rechtserlasse zu schaffen und die Organisation den sich ändernden Umständen anzupassen. So sind unter seiner Führung das Gesetz über den Finanzhaushalt des Kantons, das Gesetz über den Finanzhaushalt der Gemeinden samt zugehöriger Verordnung geschaffen worden. Zu dem hat der nun scheidende Finanzdirektor der Landsgemeinde 2000 ein neues Steuergesetz einschliesslich der Neuregelung des Finanzausgleichs vorgelegt. Verschiedene und zum Teil auch umfassende Mitberichte zu wichtigen Landsgemeindevorlagen tragen zudem seine Handschrift.

Die organisatorische Neuordnung der Staatskasse und des Personaldienstes dürfen erwähnt sein als Hinweis, dass es auch in der Struktur der Direktion Aufgaben zu lösen galt.
Mit Christoph Stüssi scheidet eine Persönlichkeit aus dem Amt, welche sich über Jahrzehnte für Land und Volk von Glarus eingesetzt hat. Wir danken ihm für sein langjähriges Wirken und sprechen ihm unsere Anerkennung aus.

Als neues Mitglied des Regierungsrates heisse ich Franz Schiesser willkommen. Ihm wünsche ich viel Kraft, Durchsetzungsvermögen und Befriedigung im Amt.

Vor drei Wochen haben wir endgültig Abschied genommen von alt Regierungs- und Nationalrat Fritz Hösli, Diesbach. Der am 10. April im 80. Lebensjahr Verstorbene hat über Jahrzehnte hinweg in seiner Heimatgemeinde, in seiner Region und auf kantonaler Ebene die Politik mitbeeinflusst und mitbestimmt. Von 1971 bis 1988 gehörte der Verstorbene dem Regierungsrat an. Er amtierte zunächst während dreier Jahre als Polizeidirektor, um dann ab 1974 der Sanitäts- und Fürsorgedirektion vorzustehen. Geprägt von seiner Herkunft fand er hier das Betätigungsfeld, welches seinem sozialen Engagement am besten entsprach. Die Sozial- und Gesundheitspolitik waren Fritz Hösli auch die grossen Anliegen, welche er während seiner Tätigkeit von 1978 bis 1991 als Nationalrat besonders vertrat. Er bleibt uns in Erinnerung als ein unermüdlich tätiger, von Sachkunde und Rechtschaffenheit geprägter Politiker.
Wir erinnern uns in Dankbarkeit an ihn und bewahren ihm auch ein ehrenvolles Andenken.

Hochvertraute, liebe Mitlandleute

Ich gebe heute das Landesschwert an meinen Nachfolger weiter. Für das mir gewährte Vertrauen Landammann zu sein und die Landsgemeinde führen zu dürfen sowie für die wohlwollende Unterstützung danke ich ganz herzlich.

In den nachfolgenden Beratungen werden wir für unsern Kanton wegweisende Entscheide zu treffen haben. Wenn diese zur Stärkung und zum Wohle unserer staatlichen Gemeinschaft beitragen, dann haben wir die richtigen Beschlüsse gefasst.

In gutem Sinne und Geist wollen wir darum auch heute mindern und mehren.

Ich empfehle Land und Volk von Glarus dem Machtschutz Gottes und erkläre die Landsgemeinde 2002 als eröffnet.

Rudolf Gisler

Die Landsgemeinde wird durch den Landammann eröffnet. Die stimmberechtigten Männer und Frauen werden hierauf den Eid zum Vaterland schwören.

Auszug aus Memorial (pdf-Datei 28 KB)

Vollversion Memorial (pdf-Datei 3,2 MB)

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