Landsgemeinde 2005

Traktandum 1: Eröffnung der Landsgemeinde

Landammann Jacques KammRede Landsgemeinde 2005

Hochgeachteter Herr Landesstatthalter,
Hochgeachtete Damen und Herren der administrativen und richterlichen Behörden,
Hochvertraute liebe Mitlandleute, sehr geehrte Gäste

Unsere Landsgemeinde hat grundlegende Merkmale und Rechte seit 1387 bis heute bewahrt. Sie ist aber im Laufe der Jahrhunderte immer wieder an die veränderten Verhältnisse angepasst worden. Und so erleben wir auch heute eine Veränderung. Alle Stimmberechtigten haben einen neuen, farbigen Stimmrechtsausweis erhalten, der jeweils nur für eine Landsgemeinde gültig ist. Abgestimmt wird neu durch Hochhalten des Stimmrechtsausweises und nicht mehr mit dem Handmehr. Diese Neuregelung verbessert die Kontrolle über das Stimmrecht sowie das Abschätzen des Mehrs und sie verringert die Missbrauchswahrscheinlichkeit, weil die Ausweise immer den aktuellsten Stand aufweisen. Dadurch wird die Landsgemeinde gestärkt, ohne dass sie inhaltlich beeinträchtigt wird.

Vor achtzehn Wochen hat die Flutwelle in Südasien über 270'000 Menschen getötet. Wohl noch nie in der Geschichte waren gleichzeitig so viele Menschen verschiedenster Nationalitäten von einer Katastrophe betroffen. Sie ereignete sich ausgerechnet in einem Zeitpunkt, als Menschen aus fast der ganzen Welt an den asiatischen Stränden die Feiertage zum Jahresende verbrachten. Die Flutwelle wurde so zur globalen Tragödie, weil neben den Einheimischen auch Besucher aus allen Teilen der Welt, einschliesslich der Schweiz betroffen worden waren.

Diese Katastrophe hat uns wieder einmal eindrücklich in Erinnerung gerufen, wie kleinräumig heutzutage die Welt ist und wie mächtig die Natur gegenüber uns Menschen. Obwohl wir uns einbilden, in einem Zeitalter der Information und in einer Wissensgesellschaft zu leben, war das früh wahrgenommene Seebeben der Stärke 8,9 nicht kommunizierbar und die gefährdeten Länder konnten nicht rechtzeitig gewarnt werden. Hingegen ist gesichert, dass an den Börsen der ganzen Welt auf kleinste Signale sofort, d.h. zeitgleichig reagiert werden kann. Die Katastrophe lehrt uns weiter, dass eine Welt, die sich nur nach den Kriterien der Märkte und der Profite organisiert und die Natur und die Menschen vergisst, schlecht gewappnet ist.

Wir Glarnerinnen und Glarner sind stolz auf unsere Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Unsere Vorfahren haben diese erkämpft. Bewahrt haben wir sie durch erfolgreiche politische und wirtschaftliche Tätigkeit, gekennzeichnet durch Offenheit und Toleranz, sozialem Engagement, Fleiss, Innovation und Risikobereitschaft und nicht zuletzt durch unsere hervorragenden Produkte, die in der ganzen Welt bekannt und begehrt sind. Die Erfolge fielen uns nie in den Schoss, sondern sie mussten immer hart erarbeitet werden.

Zunehmende Negativmeldungen über

  • die schlechten Finanzen des Kantons und vieler Gemeinden,
  • den damit verbundenen Abbau oder Verzicht von staatlichen Leistungen in allen Bereichen,
  • Stellenverluste durch Verlagerung der Produktionsstandorte
  • stark rückläufige Geburtenzahlen, die zu zunehmender Überalterung führen,
  • die Entleerung von Randregionen, wie sie Avenir Suisse zur Diskussion stellt

dürfen uns nicht verzweifeln lassen; sie sollten uns aufrütteln.

Hochvertraute, liebe Mitlandleute

Warum stellen wir uns und unsere Situation selber immer so schlecht dar? Warum kritisieren wir immer alles? Warum reden wir immer vom Schlechten und nicht vom Guten?

Dabei gab es im letzten halben Jahr eine ganze Reihe von positiven Ereignissen. Ein paar Beispiele:

  • Seit Dezember hat der Kanton Glarus mit dem «Glarner Sprinter» eine direkte Zugsverbindung, mit einer Fahrzeit von unter einer Stunde, in die Wirtschaftsmetropole Zürich.
  • Die Firma Lidl beabsichtigt in Näfels ein Verwaltungs- und Logistikzentrum mit dem Landessitz Schweiz anzusiedeln. Dabei werden rund 400 Arbeitsplätze geschaffen.
  • Im Februar meldete das grösste Industrieunternehmen im Kanton, die Netstal-Maschinen AG, ein gutes Geschäftsjahr, das die eigenen Ziele übertraf.
  • Im März konnten wir den Abschluss der Sanierung «linth-arena sgu» feiern. Damit haben wir ein modernes und attraktives regionales Begegnungszentrum für Sport und Freizeit.
  • Zuhinterst im Tal, im Tierfehd, investiert das Kraftwerk Linth-Limmern in eine neue Pumpturbine über 100 Millionen Franken. Von diesem Grossprojekt profitieren auch Glarner Unternehmen und der Kanton erhält eine Abgabe von rund 2,7 Mio. Franken.
  • Vor einer Woche hat die AXPO bekannt gegeben, dass sie beabsichtigt ein Umwälzkraftwerk Limmernsee – Muttsee zu erstellen, mit einem Investitionsvolumen von ca. einer Milliarde Franken.

Diese Beispiele sollten uns eigentlich Mut machen und das Selbstvertrauen stärken. Wir wollen kein «Jammertal» sein, wie es die Sonntagsausgabe der NZZ geschrieben hat.

Ich bin überzeugt, wir Glarnerinnen und Glarner sind willens und stark genug um die schwierige Zeit zu meistern. Allerdings müssen wir bereit sein, auf das eine oder andere zu verzichten, selbst wenn wir dadurch persönlich betroffen sind. Wenn wir unseren Kindern keinen Schuldenberg hinterlassen wollen, dürfen wir auf die Dauer auch als Staat nicht über unsere Verhältnisse leben.

Im Umfeld wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungen und angesichts der immer knapper werdenden finanziellen Mittel müssen wir bereit sein, unsere Gemeindestrukturen zu vereinfachen und die Aufgabenverteilung zwischen Kanton und Gemeinden zu überprüfen. Wir können uns keine Doppelspurigkeiten mehr leisten.

In unserem kleinen Kanton haben wir eine grosse Gemeindevielfalt. Viele Gemeinden sind zu klein und haben ein schlechtes Finanz - Rating. Wir führen rund 80 Gemeindebuchhaltungen, d.h. pro knapp 500 Einwohner eine Buchhaltung und das bedeutet zugleich auch eine Behörde. Es wird immer schwieriger, qualifizierte Personen für öffentliche Ämter zu gewinnen. Andererseits steigen die Ansprüche der Einwohner. Die Gemeinden werden als Dienstleistungsunternehmen betrachtet, die ihre Dienstleistungen effizient zu erbringen haben.

Zurzeit arbeitet ein Projektteam an den Reformmodellen der künftigen Gemeindestrukturen. Im laufenden Jahr wird in verschiedenen Regionen des Kantons mit Informations- und Diskussionsveranstaltungen der Dialog mit der Bevölkerung angestrebt und an der Landsgemeinde 2006 sollen wir über die Gemeindestrukturreform entschieden.

Ich appelliere an sie alle, gegenüber neuen Strukturen offen zu sein. In erster Linie sind wir doch Glarnerinnen und Glarner und erst in zweiter Linie sind wir Linthaler, Elmer, Mühlehorner oder Biltner. Bei der Gemeindestrukturreform geht es um die Zukunft des Glarnerlandes; um unsere Zukunft.

Bevor wir uns der Behandlung der Geschäfte zuwenden, wollen wir noch in Dankbarkeit zweier verstorbener Persönlichkeiten gedenken.

Nur sieben Monate nach seinem Abschied an der letztjährigen Landsgemeinde verstarb im 63. Lebensjahr alt Landammann Ruedi Gisler an den Folgen seiner schweren Krankheit. Er gehörte während 14 Jahren dem Regierungsrat an und führte zuerst 6 Jahre die Militär- und Polizeidirektion und anschliessend 8 Jahre die Erziehungsdirektion. In der Amtsdauer 1998 bis 2002 war er Landammann.

Am 3. April starb alt Landammann Jules Landolt im Alter von 75 Jahren. Er gehörte während 8 Jahren dem Regierungsrat an und führte die Landwirtschafts- und Forstdirektion. Von 1990 – 1994 war er Landammann. Er war ein politischer Kämpfer, focht unbeirrt und unkompliziert für die Ziele, die ihm richtig schienen. Zudem war er ein Vertreter des einfachen Volkes, dem er sich selber immer zugehörig fühlte.
Während des grössten Teils ihres Lebens standen beide Verstorbenen im Dienst der Öffentlichkeit: als Gemeinderäte, Gemeindepräsidenten, Landräte, Regierungsräte und Landammänner. Für ihr langjähriges Wirken für Land und Volk von Glarus danken wir beiden bestens und sprechen ihnen unsere grosse Anerkennung aus. Wir werden sie in ehrendem Andenken behalten.

Lassen wir uns nun den Traktanden zuwenden. Ich wünsche mir, dass wir auch heute in gutem Sinne und Geist raten, mindern und mehren.

Ich empfehle Land und Volk von Glarus dem Machtschutz Gottes und erkläre die Landsgemeinde 2005 als eröffnet.

Jacques Kamm, Landammann

Die Landsgemeinde wird durch den Landammann Jakob Kamm eröffnet. Die stimmberechtigten Männer und Frauen werden hierauf den Eid zum Vaterland schwören.

Auszug aus Memorial (pdf-Datei 87 KB)

Vollversion Memorial (pdf-Datei 367 KB)

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