Traktandum 14: Kantonalisierung Sozial- und Vormundschaftswesen
Anpassung der Kantonsverfassung und verschiedener kantonaler Erlasse

Hansjörg StuckiHansjörg Stucki, Oberurnen, stellt den Antrag, die Vorlage abzulehnen und noch abzuwarten, wie sich die Gemeindefusion auswirke. Nach dem letztjährigen Jahrhundertentscheid sei sich die Landsgemeinde bei der Beschlussfassung wohl nicht voll bewusst gewesen, dass durch die Fusionen auf drei Gemeinden das Sozial- und Fürsorgewesen sowieso konsolidiert würde. Die Kantonalisierung sei deshalb überstürzt und unter falschen Annahmen erfolgt.
Kommissionspräsident Kaspar Krieg

Kommissionspräsident Kaspar Krieg, Niederurnen, ruft dazu auf, dem Antrag ohne Änderung zuzustimmen. Der Auftrag zur Umsetzung der Kantonalisierung sei von Praktikern unter grossen Zeitdruck ausgearbeitet worden. Die Vorlage ebne den Weg von den Gemeinden zum Kanton und sei für den Steuerzahler kostenneutral.

Marianne Dürst

Regierungsrätin Marianne Dürst verteidigt als Departementsvorsteherin ebenfalls den Antrag von Landrat und Regierung. Die Landsgemeinde 2006 sei sich beim Beschluss, das Sozial- und Vormundschaftswesen zu kantonalisieren, durchaus bewusst gewesen, dass es in Zukunft nur noch drei Gemeinden geben werde. Die Umsetzung sei bereits auf gutem Wege. Zudem wären nach ihrer Einschätzung die fusionierenden Gemeinden wohl mit der Rücknahme der Kompetenz im gegenwärtig laufenden Umstrukturierungsprozess überfordert.




Die Vorlage im Überblick

Die Vorlage für die Kantonalisierung des Sozial- und Vormundschaftswesens basiert auf dem an der Landsgemeinde 2006 gefällten Grundsatzentscheid. Sie ändert die Kantonsverfassung für die Übergangszeit von 2008 bis 2011 und acht Gesetze.

Die Vorlage lehnt sich an diejenige zur Verwaltungsorganisation an; die Organisationsautonomie bleibt beim Regierungsrat. Gewisse Festlegungen erfolgen jedoch auf Gesetzesstufe, so z.B. die Zuordnung der Stützpunkte an die drei künftigen Gemeinden oder die Verankerung des «Kantonalen Sozialamts» im Sozialhilfegesetz. Jede Gemeinde erhält also eine Anlaufstelle für die öffentliche Sozialhilfe, in der ein Grundangebot erbracht wird (persönliche und wirtschaftliche Sozialhilfe, Führen zivilrechtlicher und jugendstrafrechtlicher Mandate), was die Forderung nach Nähe der Hilfesuchenden zu den für die Beurteilung von Gesuchen und für die Hilfe Zuständigen erfüllt. Aufgaben, die nur eine Stelle erledigt, werden in einen der Stützpunkte verlegt (z.B. Bewährungshilfe, Opferhilfe). Die Entscheide fallen in den Stützpunkten. Ein Einspracheverfahren führt zu nochmaliger Überprüfung, ehe Verwaltungsbeschwerde erhoben werden kann. Diese Regelung ist für Hilfesuchende unkomplizierter als eine unverzügliche Verwaltungsbeschwerde.

Es werden keine Bestimmungen geändert, die Art und Umfang der Hilfe beschlagen.

Die Regelung des Vormundschaftswesens im Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch ist veraltet. Ungewöhnlich gewordene Ausdrucksweisen (Waisenamt, Waisenlade usw.) werden ausgemerzt. Der Regierungsrat wird von operativen Aufgaben, namentlich als zweite Aufsichtsbehörde oder als Rechtsmittelinstanz, entlastet. Das «zuständige Departement» (Departement Volkswirtschaft und Inneres) wird die Aufgaben so erledigen, wie es das Schweizerische Zivilgesetzbuch vorschreibt. Zentral ist die Schaffung einer Vormundschaftsbehörde mit professionellem Sekretariat, welche auch die Aufgaben im Erbrecht (Sicherungsmassnahmen, Testamentseröffnung) übernimmt. Für das Wahrnehmen der Sozial- und Vormundschaftsaufgaben sind 28,5 Stellen vorgesehen.

Im Steuergesetz wird die Verteilung des Steuerertrags neu geregelt, da dem Kanton durch die Übernahme des Sozial- und Vormundschaftswesens erhebliche Mehrkosten erwachsen (rund 13,8 Mio. Fr.). Folgende Steueranteile werden ihm zur Kompensation direkt oder durch Anpassung der Anteile der Gemeinden zugeschieden:

– Anteile an der Vermögens- und Eigenkapitalsteuer sowie an der Erbschafts- und Schenkungssteuer;

– 1 Prozent an der Einkommens- und Gewinnsteuer für die Äufnung des Ausgleichsfonds für Defizitfürsorgegemeinden;

– Kompensation des Ertrags der durchschnittlichen Fürsorgegemeindesteuerzuschläge über eine Umverteilung von 4,13 Prozent an den Anteilen der Einkommens- und Gewinnsteuer;

– Kompensation der Kosten des Vormundschaftswesens über eine weitere Umverteilung von 0,87 Prozent an den Anteilen der Einkommens- und Gewinnsteuer. Insgesamt werden die Anteile des Kantons an der Einkommens- und Gewinnsteuer von 57 auf 63 Prozent steigen und somit diejenigen der Gemeinden von 43 auf 37 Prozent sinken. Zudem muss der Kanton noch den mit rund 2,5 Millionen Franken (Stand Ende 2005) negativen Ausgleichsfonds für Defizitfürsorgegemeinden ausgleichen. Der Negativsaldo wird sich aufgrund der Rechnungen 2006 und 2007 vergrössern; dafür werden die vorhandenen Fürsorgevermögen herangezogen.

Im Gemeindegesetz, wie in den meisten der übrigen Erlasse, geht es vor allem um formelle Anpassungen wegen der Aufhebung der Fürsorgegemeinden.

Die Vorlage war im Landrat grundsätzlich unbestritten. Kontrovers diskutiert wurde jedoch die Art und Weise der Kompensation sowie der Umfang der Lastenverteilung. Einig war man sich darin, dass die Kantonalisierung ohne Steuererhöhung erfolgen soll. Nach intensiver Debatte setzte sich die Auffassung durch, sie habe mit einer Änderung des Steuerschlüssels zwischen Kanton und Gemeinden und nicht via Erhöhung des Kantonssteuerfusses / Reduktion der Gemeindesteuerzuschläge zu erfolgen. Abgelehnt wurde das Berücksichtigen von lediglich prognostizierten Mehrkosten. Der Landrat beantragt der Landsgemeinde, der Vorlage unverändert zuzustimmen.

Auszug aus dem Memorial (pdf-Datei 597 KB)
Vollversion Memorial (pdf-Datei 3.4 MB)


Beschluss

Die Vorlage wird mit grossem Mehr im Sinne des Landsrates angenommen.