Landsgemeinde 2003
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Traktandum 1: Eröffnung der Landsgemeinde

Landammann Jacques KammRede Landsgemeinde 2003

Hochgeachteter Herr Landesstatthalter,
Hochgeachtete Damen und Herren der administrativen und richterlichen Behörden,
Hochvertraute liebe Mitlandleute,
Sehr geehrte Gäste

Die Landsgemeinde ist im glarnerischen Politgeschehen nach wie vor Höhepunkt und Mittelpunkt zugleich. Zusammen mit Appenzell-Innerrhoden sind wir die Einzigen, welche die wichtigsten politischen Entscheide auf diese Institution konzentrieren. Unsere Landsgemeinde zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass wir zu einer Vorlage nicht nur «JA» oder «NEIN» sagen können, sondern die Möglichkeit haben, Bestimmungen auszumerzen oder die Vorlage zu ergänzen und abzuändern. Dies ist eine beispielhafte Form von direkter Demokratie. Die Rechte, die uns hier im Ring zustehen, bedeuten aber auch Verpflichtung. Wir sind gehalten, sorgsam, würdig und überlegt mit dieser Einzigartigkeit umzugehen. Die Form der Landsgemeinde muss uns dies wert sein.

Das 650-Jahr-Jubiläum ist vorbei. Mit zwei gelungenen Festwochenenden und zahlreichen Nebenanlässen haben wir die Zugehörigkeit zum Bund würdig und unseren Verhältnissen angemessen gefeiert.

Im Nachgang zum Kantonsjubiläum und zu den verschiedenen Negativmeldungen, wie Bevölkerungsrückgang, schlechte Kantonsfinanzen, Konjunkturflaute stellt sich die Frage, wie es mit unserem Kanton weitergehen soll.

Die «Südostschweiz» gab mit einer Visions-Serie zahlreichen Glarnerinnen und Glarnern die Möglichkeit, sich zur Zukunft unseres Kantons zu äussern.

Dabei zeigte sich, dass über die Richtung, in die sich unser Kanton entwickeln sollte, alles andere als ein Konsens herrscht. Die Einen sehen die Zukunft im wirtschaftlichen Wachstum, was vor allem Investieren in Bauvorhaben bedeutet. Andere pochen auf Nachhaltigkeit, auf die Schonung unserer natürlichen Ressourcen. Die Einsicht, dass es Veränderungen braucht, ist weitverbreitet. Aber wenn es wirklich darum geht, etwas zu verändern, fehlt vielfach der Wille oder es wird versucht, wegen Neid und Missgunst die Veränderung zu verhindern. Für alles was nicht rund läuft, hat man sofort einen Schuldigen gefunden. Sie wissen aber alle: Jede Veränderung braucht Mehrheiten und die kommen nur zustande, wenn man ihnen durch eigenes Mittun zum Durchbruch verhilft.

Wir Glarnerinnen und Glarner sind stolz auf unsere Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Unsere Vorfahren haben diese erkämpft. Bewahrt haben wir sie durch eine erfolgreiche politische und wirtschaftliche Tätigkeit, gekennzeichnet durch Offenheit und Toleranz, sozialem Engagement, Fleiss, Innovation und Risikobereitschaft und nicht zuletzt durch unsere hervorragenden Produkte, die in der ganzen Welt bekannt und begehrt sind.

Die Erfolge fielen uns nicht in den Schoss und werden es auch in Zukunft nicht tun. Im Gegenteil: Heute sind vermehrt solche «altglarnerischen» Eigenschaften gefragt. Wenn wir unseren Wohlstand behalten und selbständig bleiben wollen, brauchen wir ein wirtschaftliches Wachstum.

Es ist heute nicht einfach, wirtschaftlich tätig zu sein, denn der Konkurrenzdruck ist gross. Wirtschaftliche Tätigkeiten in der Industrie, im Dienstleistungssektor und im Tourismus lassen sich aber auch nicht im ganzen Kanton gleich gut ausüben.

Deshalb müssen wir die wirtschaftliche Tätigkeit sinnvoll nach den unterschiedlichen Gegebenheiten aufteilen und regionale Schwerpunkte setzen. Das darf aber nicht in regionalen Egoismen ausarten, sondern die Regionen müssen miteinander eng verbunden bleiben und in gegenseitigem Vertrauen und in Solidarität zusammenarbeiten. Schlussendlich spielt es keine Rolle, in welcher Gemeinde z.B. ein neues Unternehmen angesiedelt wird. Hauptsache ist, es wird bei uns angesiedelt.

Wir werden auch nicht darum herumkommen, die Gemeinde- und Verwaltungsstrukturen zu vereinfachen und die Aufgabenverteilung zwischen dem Kanton und den Gemeinden zu überdenken. Wir können uns keine Doppelspurigkeiten mehr leisten.

Wir sind ein kleiner Kanton, mit 38'000 Einwohner so gross, wie die mittelgrosse Schweizerstadt Thun. Wir haben 29 Gemeinden und diese bestehen aus 28 Ortsgemeinden, einer Einheitsgemeinde, 15 Tagwen, 23 Schulgemeinden, 10 Schulkreisen, 22 Sozialbehörden und 16 Vormundschaftsbehörden. Diese Aufzählung zeigt wie detailliert unser Kanton strukturiert ist.

Es muss uns weiter auch gelingen, die Finanzen in den Griff zu bekommen. Mit jährlichen Finanzierungsfehlbeträgen von über 30 Mio. Franken sind wir in wenigen Jahren tief verschuldet. Wir müssen sämtliche staatlichen Leistungen hinterfragen. Das Wünschbare ist strikte vom Notwendigen zu trennen und auf lieb Gewonnenes muss vermehrt verzichtet werden.

Hochvertraute, liebe Mitlandleute

Vertrauen ist die Basis unseres Zusammenlebens. Ohne Vertrauen lässt sich nichts bewegen. Dies gilt für das Private, wie für das Berufsleben. Wir müssen Freunden, Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, auch den Verantwortlichen öffentlicher und privater Institutionen vertrauen können. Und vor allem brauchen wir Vertrauen in unsere eigenen Möglichkeiten und Stärken: Selbstvertrauen ist eine der Voraussetzungen, um schwierige Situationen und die Zukunft überhaupt meistern zu können. Kurz: Vertrauen ist ein wesentlicher «Kraftstoff» unserer Gesellschaft. Vertrauen kann man nicht kaufen. Vertrauen gewinnt man – kontinuierlich über längere Zeit; und verliert es schnell, wenn man es missbraucht. Wer das Vertrauen anderer einmal verloren hat, hat grosse Mühe, wieder vertrauenswürdig zu werden.

Unsere Zeit ist geprägt von einem tief greifenden Vertrauensverlust. Viele Menschen haben das Vertrauen in die Verantwortlichen von Politik und grosser Unternehmen verloren. Das erstaunt nicht. Stolze Firmen mit klingenden Namen wurden an den Rand des Abgrunds gebracht oder sogar tatsächlich gegroundet. Zum eigentlichen Skandal entwickelte sich das Verhalten einiger Manager durch deren hemmungslose Bereicherung und ausserhalb vernünftiger Proportionen liegenden Entlöhnungen. Zwar bilden diese Leute eine kleine Minderheit unter den Unternehmensverantwortlichen. Aber die bekannt gewordenen Fälle haben zu Empörung im ganzen Lande geführt.

Auch der dramatische Zusammenbruch der Börsen brachte Vertrauensverlust. Die anhaltende Unsicherheit hat einen eigentlichen Investitionsstreik ausgelöst, mit Folgen nicht nur für die Finanz- und Versicherungsbranche, sondern auch für kleinere und mittlere Unternehmen und nicht zuletzt auch für den Staat durch Steuerausfälle, mehr Arbeitslose und Unterstützungsbedürftige.

Krieg, Terror und die Lungenkrankheit SARS erzeugen weitere Unsicherheit und Angst. Nach dem 11. September weiss niemand, wann, wo und gegen wen Terroristen das nächste Mal zuschlagen. Auch wie sich das SARS-Virus ausbreitet weiss niemand. Während Wochen blickte die ganze Welt nach dem Irak. Die Frage lautete: Erfolgt auch ohne UNO-Mandat ein Schlag gegen Saddam Hussein? Wir kennen die Antwort. Der Diktator und sein Regime wurde entmachtet, tausende von Irakern wurden getötet und noch viel mehr verletzt, die Zivilbevölkerung leidet unter der Zerstörung der Infrastrukturanlagen. Was nicht niet- und nagelfest war, wurde geplündert. Es herrschte die Anarchie.

Wie wird es jetzt nach den militärischen Kampfhandlungen weitergehen? Beginnt für die irakische Bevölkerung eine bessere Zukunft? Wer kommt an die Macht und welche Folgen wird dies für den Irak, für den religiösen Extremismus, für die islamische Welt und für uns alle haben? Niemand kann heute diese Fragen beantworten.

Alle diese Unsicherheiten drohen uns zu lähmen und bewirken Stagnation. Dennoch: Wir müssen die Zeit der Unsicherheit überwinden. Wir müssen wieder Vertrauen fassen. Vertrauen in uns und in die Zukunft. Verlieren wir also den Mut nicht! Gerade in schwierigen Zeiten müssen wir unserer Stärken wieder bewusst werden und Probleme anpacken und lösen, um den künftigen, grossen Herausforderungen gewachsen zu sein.

Hochvertraute, liebe Mitlandleute
Bevor wir uns der Behandlung der Geschäfte zuwenden, wollen wir uns noch in Dankbarkeit des am 6. Dezember 2002 im Alter von 88 Jahren verstorbenen Dr. Kurt Luchsinger, Glarus, erinnern. Als langjähriger Gerichtsschreiber wählte ihn die Landsgemeinde 1974 zum Zivilgerichtspräsidenten. Dieses Amt übte er bis 1981 mit grosser Sachkunde und Erfahrung aus. Während 26 Jahren gehörte er auch dem Landrat an, den er 1967/68 präsidierte. Wir wollen ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Nun stehen wir an der heutigen Landsgemeinde wieder vor wichtigen Entscheidungen. Auch diese Herausforderungen können wir gemeinsam meistern, wenn wir Vertrauen in unsere Fähigkeiten und Kräfte haben.

In diesem Sinne bitte ich für Land und Volk von Glarus um den Machtschutz Gottes und erkläre die Landsgemeinde 2003 als eröffnet.

Jacques Kamm, Landammann

Die Landsgemeinde wird durch den Landammann eröffnet. Die stimmberechtigten Männer und Frauen werden hierauf den Eid zum Vaterland schwören.

Auszug aus Memorial (pdf-Datei 28 KB)

Vollversion Memorial (pdf-Datei 1,7 MB)

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