Landsgemeinde 2006

Traktandum 1: Eröffnung der Landsgemeinde

Landammann Jacques KammRede Landsgemeinde 2006
Von Landammann Jakob Kamm

Hochgeachteter Herr Landesstatthalter,
Hochgeachtete Damen und Herren der administrativen und richterlichen Behörde,
Hochvertraute liebe Mitlandleute,
sehr geehrte Gäste



Die Landsgemeinde ist im glarnerischen Politgeschehen nach wie vor Höhepunkt und Mittelpunkt zugleich. Zusammen mit Appenzell-Innerrhoden sind wir die Einzigen, welche die wichtigsten politischen Entscheide auf diese Institution konzentrieren. Unsere Landsgemeinde zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass wir zu einer Vorlage nicht nur «JA» oder «NEIN» sagen können, sondern die Möglichkeit haben, Bestimmungen auszumerzen oder die Vorlage zu ergänzen und abzuändern. Dies ist eine beispielhafte Form von direkter Demokratie. Die Rechte, die uns hier im Ring zustehen, bedeuten aber auch Verpflichtung. Wir sind gehalten, sorgsam, würdig und überlegt mit dieser Einzigartigkeit umzugehen. Inhalt und Mitwirkungsrechte, die uns die Landsgemeinde bietet, müssen uns dies wert sein.

Nach der schrecklichen Flutwelle in Südasien war das vergangene Jahr weltweit das Jahr der Katastrophen. Ein schweres Erdbeben in Pakistan, eine Rekordzahl von tobenden Wirbelstürmen in fast allen Kontinenten und zahlreiche Unwetter und Überschwemmungen in weiten Teilen Europas forderten über 100'000 Tote und grossen Sachschaden. Auch ist die Vogelgrippe zur weltweiten Gefahr geworden.
Erdbeben haben keinen Zusammenhang mit der Klimaerwärmung. Die meisten Unwetter und die zunehmend schlimmer wütenden Wirbelstürme wie «Katrina» hingegen schon. Diese Ereignisse zeigen uns, dass das Leben auf unserem Planeten immer deutlicher und immer stärker von den Belastungen durch die Zivilisation geprägt wird. Die Natur beginnt allmählich zurückzuschlagen. Die verheerenden Ereignisse werden häufiger und heftiger. Die Schweiz ist vom globalen Klimawandel als Bergregion besonders betroffen, das zeigen insbesondere die verheerenden Unwetter vom vergangenen August. Obwohl auch unser Kanton viele Sachschäden zu beklagen hatte, sind wir doch mit einem blauen Auge davon gekommen.

Auf kantonspolitischer Ebene geht es erneut um Finanzmassnahmen, sowie um Strukturreformen und Grossprojekte. Damit wir die grossen Herausforderungen der Zukunft meistern und insbesondere im Standortwettbewerb mit den umliegenden Kantonen Schritt halten können, müssen wir gesunde Finanzen, schlanke Strukturen, eine offene Kultur und eine nachhaltige Entwicklung ausweisen. Dazu braucht es von uns allen Einsicht, Bereitschaft und Wille zu Veränderungen. Wer meint, man brauche bloss alles so zu lassen, wie es ist, irrt.

Die vorhandenen Ressourcen bieten nicht beliebig viele Möglichkeiten um die Lebenskraft unseres Kantons zu erhalten. Umso wichtiger ist es, dass wir Chancen, wie z.B. das Projekt Linthal 2015, nutzen.

Durch die geographische Lage, die topographischen Verhältnisse und die Kleinräumigkeit haben wir auch nicht beliebige Entwicklungsmöglichkeiten. Doch die Nähe zur Grossagglomeration Zürich ist ein Standortvorteil, den es viel besser zu nutzen gilt; wir haben starke Trümpfe auszuspielen.

Wir wohnen in einer intakten Natur und doch in angenehmer Reichweite zur grössten Schweizerstadt, mit guten Verkehrsverbindungen auf Schiene und Strasse. Wir verfügen über ein breites Bildungs- und Kulturangebot und ein gut ausgebautes Gesundheitswesen. Für Industrie- und Dienstleistungsunternehmen können wir attraktive und preiswerte Standorte anbieten. Auch touristischen Gästen vermögen wir als Naherholungsraum mit unserer schönen Berglandschaft viel zu bieten.

Die Einsicht, dass wir Veränderungen brauchen, ist weitverbreitet. Aber wenn es dann wirklich darum geht etwas zu verändern, dann fehlt vielfach der Wille dazu oder es wird argumentiert: «Veränderungen schon, aber nicht diese oder nicht auf diese Art oder noch nicht jetzt.»

Hochvertraute, liebe Mitlandleute

Wir müssen uns zusammenraufen und uns den Herausforderungen stellen. Die Grunddevise darf nicht länger sein, Reformen und Projekte ganz und gar zu verdammen. Das soll nicht heissen, dass wir zu allem einfach «Ja und Amen» sagen. Wir können es uns aber nicht mehr länger leisten, einfach alles abzublocken.
Die Grundhaltung kann nicht sein, stets als Erstes das Haar in der Suppe zu suchen und - sobald es gefunden ist - komplett auf stur zu schalten. Man mag zwar eigene, idealere Vorstellungen haben und einbringen. Doch wenn jeder nur das gelten lässt, was gerade seinem eigenen Kopf entspringt, dann bringen wir nichts mehr zustande - und es läuft uns nicht nur die Zeit davon, sondern auch die bestehenden Chancen.

Vor vier Jahren beauftragte die Landsgemeinde die Regierung, die Verwaltung auf fünf Departemente mit fünf Regierungsmitgliedern zu verkleinern. Mit einer Verfassungsänderung und einem neuen Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz wurde an der Landsgemeinde 2004 die notwendige Gesetzesgrundlage geschaffen. Die alte Verwaltungsstruktur wurde stark vereinfacht und als Folge des Spardruckes mussten 26 Stellen abgebaut werden. Heute erfolgen unter Traktandum 8 die notwendigen Anpassungen in 57 Erlassen und in den nächsten Monaten steht die eigentliche Umstellung mit der «Grosszüglete» bevor. Dieses Projekt hat die Regierung und die Verwaltung während der ganzen Amtsdauer stark in Anspruch genommen. Als Resultat können wir nun eine schlanke Verwaltung mit einer straffen Organisation vorweisen.

Als Folge dieser neuen Verwaltungsstruktur müssen heute zwei bisherige Mitglieder aus der Regierung ausscheiden.

Landesstatthalter Willy Kamm wurde 1996 in den Regierungsrat gewählt. Als langjähriger Gemeindepräsident und Landrat erwarb er sich das Rüstzeug für die Tätigkeit in der obersten Exekutive des Kantons. Sechs Jahre führte er die Polizei- und Militärdirektion und vor vier Jahren, als am Finanzhimmel dunkle Wolken aufzogen, übernahm er die Finanzdirektion. Mit viel Engagement versuchte er die aus dem Ruder gelaufenen Finanzen wieder ins Lot zu bringen. Zusammen mit dem Regierungsteam musste er einschneidende und unpopuläre Sparpakete schnüren. Er machte sich zudem stark dafür, dass die Kantone vom überschüssigen Nationalbankgold profitieren konnten. Auch wenn das Ziel einer nachhaltigen, ausgeglichenen Staatsrechnung noch nicht ganz erreicht ist, gelang es ihm doch eine klare Trendwende herbei zu führen.

Regierungsrat Franz Schiesser wurde im Jahre 2002 in die Regierung gewählt. Seither führte er die Polizei- und Militärdirektion. Im Bereich der Kantonspolizei sorgte er mit dem Abschluss des Reorganisationsprojektes 68 und den dazu gefällten politischen Entscheidungen massgeblich dafür, dass trotz wenig personellen Ressourcen die Sicherheit in unserem Kanton gewährleistet bleibt und als Militärdirektor setzte er sich bei der Umstellung der Armee XXI erfolgreich für den Erhalt von militärischen Arbeitsplätzen im Kanton Glarus ein.

Wir danken Landesstatthalter Willy Kamm und Regierungsrat Franz Schiesser für ihren grossen Einsatz und ihr Wirken zum Wohl von Land und Volk von Glarus und wünschen beiden für die Zukunft alles Gute.

Mit der heutigen Landsgemeinde endet auch das Wirken von Frau Johanna Schneiter als Obergerichtspräsidentin. Sie wurde 1978 ins Obergericht gewählt, als sie ihre Zweitausbildung zur Juristin absolvierte. Nach 17 Jahren Richtertätigkeit wurde sie 1995 in einer Kampfwahl zur Obergerichtspräsidentin gewählt.

Mit Freude, grossem Engagement und Verantwortung hat sie sich immer für eine unabhängige und gut funktionierende Justiz eingesetzt. Wir danken der abtretenden Obergerichtspräsidentin Johanna Schneiter für ihren langjährigen, grossen Einsatz für das Glarner Gerichtswesen und sprechen ihr unsere Anerkennung aus.

Hochvertraute, liebe Mitlandleute

Heute gebe ich nach vier Jahren das Landesschwert an meinen Nachfolger weiter. Für das mir gewährte Vertrauen und die wohlwollende Unterstützung danke ich Ihnen ganz herzlich.

In den nachfolgenden Beratungen haben wir für unseren Kanton wegweisende Entscheide zu treffen. Mögen diese zur Stärkung und zum Wohle unserer Gemeinschaft beitragen.

Ich wünsche mir, dass wir auch heute in gutem Sinne und Geist raten, mindern und mehren.

Ich empfehle Land und Volk von Glarus dem Machtschutz Gottes und erkläre die Landsgemeinde 2006 als eröffnet.

Die Landsgemeinde wird durch den Landammann eröffnet. Die stimmberechtigten Männer und Frauen werden hierauf den Eid zum Vaterland schwören.

Auszug aus Memorial (pdf-Datei 42 KB)

Vollversion Memorial (pdf-Datei 1,2 MB)

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